Balladen, wie wir sie von Theodor Fontane (John Maynard / Archibald Douglas), Heinrich Heine (Belsazar), Annette von Droste-Hülshoff (Der Knabe im Moor) oder auch Mörikes Feuerreiter kennen, firmieren unter der Bezeichnung Kunstballade; dazu gehören durchaus die Balladen Schillers und Goethes, doch werden deren Werke auch als Ideenballaden bezeichnet, ging es doch beiden, insbesondere Schiller, darum, über deren Inhalt eine Idee literarisch aufleuchten zu lassen, sei es die Idee der Freundschaft, wie in der Bürgschaft, oder des Respekts vor dem Göttlichen und dem Geschenk des Lebens wie in Der Taucher. Natürlich finden sich auch in der Moderne Balladen; wir finden sie nicht nur bei Franz Josef Degenhardt (Wenn der Senator erzählt) und Wolf Biermann (Das Familienbad), sondern auch bei Günter Kunert (siehe unten) und Liedermachern wie Konstantin Wecker und Reinhard May – zum Teil ist ja die Grenze zwischen entsprechenden Liedern und der eigentlichen Form der Ballade fließend. Bisweilen wurde sie in der Vergangenheit auch als Romanze bezeichnet; man meinte in der Regel – etwas pauschal formuliert – dann eine Gedichtform, die sich mit weniger Tiefgründigem auseinandersetzte.
Das Wort Ballade leitet sich ursprünglich ab von dem mittellateinischen Wort ballare = tanzen und dem italienisch-provenzalischen Balada, einem Tanzlied mit Refrain, was darauf verweist, dass Balladen in früheren Zeiten oft gesungen wurden. Diese Balladen vergangener Zeiten, die vor allem vom 13. bis zum 15. Jahrhundert eine sehr lebendige literarische Gattung waren, bezeichnet man als Volksballaden; ihre Verfasser waren unbekannt, wie das ja auch beim Volkslied ursprünglich der Fall war. Bekannt sind unter anderem Es freit ein wilder Wassermann oder auch Es waren zwei Königskinder, Volksballaden, die wir auch als Volkslieder finden (weitere Volksballaden finden Sie hier); es zeigt sich, dass die Grenzen zwischen entsprechenden literarischen Gattungen bzw. Genres fließend sind; so wird auch Eichendorffs Der stille Grund als Ballade bzw. Romanze bezeichnet; wir werden sie kennenlernen am Dienstag, den 18. Dezember, dem letzten Literaturkreisabend vor Weihnachten, wenn es um die Kraft der Stille geht, weil unbedingt berücksichtigt sein will, dass Stille auch eine dunkle, gefährliche Seite besitzt, um die man wissen sollte, wenn man sich der gesunden, heilsamen Stille ohne Sorge hingeben möchte.
Die Ursprünge der Volksballaden finden wir in den alt- und mittelhochdeutschen Heldenliedern. Erstmalig überliefert wurde ein Fragment des althochdeutschen Hildebrandliedes aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, das ursprünglich wohl aus dem Kloster Fulda stammt und offensichtlich ein nachträglicher Eintrag in einem Codex ist, der eigentlich biblische Texte enthält. Vielleicht war es so, dass Mönche es sich nicht verkneifen wollten, auf den eigentlich freien Buchinnenseiten der ersten und letzten Seite des Codex das Hildebrandlied einzutragen; seine Wiedergabe bricht jedenfalls ab, als wohl der Platz auf dem letzten Blatt zur Neige ging.
Soweit ein kleiner Exkurs in die Geschichte; offensichtlich ist, was unsere Gegenwart betrifft, dass die Ballade als literarische Form entgegen der Auffassung mancher Germanisten, die, wie Walter Müller-Seidel, die Balladenform schon totsagten, durchaus sehr lebendig ist. Wenn man weiß, dass ihr eine mindestens 1200-jährige Geschichte zugrundeliegt – wie weit die Heldenlieder wirklich zurückgehen, wissen wir gar nicht -, kann man sich darüber nur freuen.
Man hat sie in ganz unterschiedliche Sparten (historische, soziale, natur- und totenmagische Balladen usw.) aufgeteilt, und insbesondere die Heldenballade lebte in vergangenen Zeiten zum Teil in einem ziemlich aufgeblasenen und äußerlichen Heldentum, wie wir es z.B. in Moritz von Strachwitz´ Das Herz von Douglas finden. Aber unsere Kultur zeichnet sich dadurch aus, dass sie einem stillen Heldentum Ehre erwies, einem Heldentum, wie wir es von Nis Randers, Archibald Douglas, John Maynard oder – wenn man den Alt-68er-Tonfall akzeptieren mag – Willi (Konstantin Wecker) kennen, das von Helden berichtet, die Opferbereitschaft und großen Mut zeigten, Eigenschaften, denen zu allen Zeiten Menschen Respekt zollten und innehielten, um sie zu würdigen, wissend, wie dringend die Menschheit dieser Menschen und solcher Eigenschaften bedarf.
In der Folge gebe ich die Balladen wieder, wie sie am 20. November vorgetragen wurden.
Die erste, geschrieben von Otto Ernst (1862 – 1923), einem zu seiner Zeit zumindest regional durchaus bekannten Dichter, handelt von dem friesischen Fischer Nis Randers, der sein eigenes Leben riskiert (die damaligen Rettungsboote waren offen und drehten sich nicht, wie die modernen, wenn sie kentern, von selbst wieder nach oben), um das eines Matrosen zu retten, nicht wissend, dass er damit das Leben seines seit drei Jahren verschollenen Bruders, den insbesonders seine Mutter so sehr vermisst, rettet:
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Nis Randers
Krachen und Heulen und berstende Nacht,
Dunkel und Flammen in rasender Jagd –
Ein Schrei durch die Brandung!
Und brennt der Himmel, so sieht man´s gut.
Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut;
Gleich holt sich´s der Abgrund.
Nis Randers lugt – und ohne Hast
Spricht er: „Da hängt noch ein Mann im Mast;
Wir müssen ihn holen.“
Da fasst ihn die Mutter: „Du steigst mir nicht ein:
Dich will ich behalten, du bliebst mir allein,
Ich will´s, deine Mutter!
Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn;
Drei Jahre verschollen ist Uwe schon,
Mein Uwe, mein Uwe!“
Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach!
Er weist nach dem Wrack und spricht gemach:
„Und seine Mutter?“
Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs:
Hohes, hartes Friesengewächs;
Schon sausen die Ruder.
Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz!
Nun muß es zerschmettern …! Nein, es blieb ganz …!
Wie lange? Wie lange?
Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer
Die menschenfressenden Rosse daher;
Sie schnauben und schäumen.
Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt!
Eins auf den Nacken des andern springt
Mit stampfenden Hufen!
Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt!
Was da? – Ein Boot, das landwärts hält –
Sie sind es! Sie kommen! – –
Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt …
Still – ruft da nicht einer? – Er schreit´s durch die Hand:
„Sagt Mutter, ’s ist Uwe!“
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Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger hatte im Übrigen einen ihrer Seenotrettungskreuzer Nis Randers getauft – nach 28 Jahren wurde er in diesem Jahr ausgemustert (von mir aus hätte man auch den Nachfolger Nis Randers nennen dürfen).
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Das folgende Gedicht Günter Kunerts gehört für mich zu den eindrücklichsten, die ich kenne; im Grunde ist diese Ballade eine Ideenballade zeitgenössischer Provenienz; ihre Idee gibt sie in zwei Etappen preis: Nur wer sich verändert, den wird nicht verdrießen / Die Veränderung, die seine Welt erfährt beinhaltet die grundsätzliche Aussage, die allen Menschen ins Stammbuch geschrieben sein will. Ihre Bedeutung gewinnt sie mit der letzten Strophe, die allen zu denken geben mag, vor allem allen Noch-Fischen:
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Wie ich ein Fisch wurde
Am 27. Mai um drei Uhr hoben sie sich aus ihren Betten
Die Flüsse der Erde, und sie breiteten sich aus
Über das belebte Land. Um sich zu retten
Liefen oder fuhren die Menschen zu den Bergen raus.
Als nachdem die Flüsse furchtbar aufgestanden,
Schoben sich die Ozeane donnernd übern Strand,
Und sie schluckten alles das, was noch vorhanden,
Ohne Unterschied, und das war allerhand.
Eine Weile konnten wir noch auf dem Wasser schwimmen,
Doch dann sackte einer nach dem andern ab.
Manche sangen noch ein Lied, und ihre schrillen Stimmen
Folgten den Ertrinkenden ins nasse Grab.
Kurz bevor die letzten Kräfte mich verließen,
Fiel mir ein, was man mich einst gelehrt:
Nur wer sich verändert, den wird nicht verdrießen
Die Veränderung, die seine Welt erfährt.
Leben heißt: Sich ohne Ende wandeln.
Wer am Alten hängt, der wird nicht alt.
So entschloss ich mich, sofort zu handeln,
Und das Wasser schien mir nicht mehr kalt.
Meine Arme dehnten sich zu breiten Flossen,
Grüne Schuppen wuchsen auf mir ohne Hast;
Als das Wasser mir auch noch den Mund verschlossen,
War dem neuen Element ich angepasst.
Lasse mich durch dunkle Tiefen träge gleiten,
Und ich spüre nichts von Wellen oder Wind,
Aber fürchte jetzt die Trockenheiten,
Und dass einst das Wasser wiederum verrinnt.
Denn aufs Neue wieder Mensch zu werden,
Wenn man´s lange Zeit nicht mehr gewesen ist,
Das ist schwer für unsereins auf Erden,
Weil das Menschsein sich so leicht vergisst.
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Die Ballade Kunerts nimmt im Übrigen Bezug auf ein Thema, das weltweit in der Dichtung sich findet. auch in den allermeisten Mythen der Völker: der Mythos um eine große Flut und den Untergang einer ganzen Kultur. Platon nimmt Bezug auf Atlantis, sehr ausführlich tut das auch das nicht unumstrittene amerikanische Medium Edgar Cayce und – was wenig bekannt ist – Oskar Loerke (1884 – 1941). Ich gebe deshalb sein Gedicht hier wieder, es entstammt seinem Gedichtzyklus Bemalte Vasen aus Atlantis.
Jener Mensch, im folgenden Gedicht ist es das lyrische Ich, befindet sich offensichtlich auf einem Speicher und gleichzeitig in rollender See. Er wird am Kopf getroffen von herunterfallenden Vasen, die sich in den Speicherregalen befinden und ertrinkt zugleich im taifunischem Wind, also in tosendem Geschehen. Dennoch umarmt er ein Kind, das ihm Entscheidendes zuruft.
Das Atlantis-Thema war für Oskar Loerke nicht neu. 1907 gibt er seine Schrift Vineta heraus; im Titel also bezieht sie sich auf eine an der südlichen Ostseeküste gelegene sagenhafte Stadt, die in einer Sturmflut untergegangen sein soll und auf die sich möglicherweise schon Eduard Mörike mit seinem Orplid-Gedicht bezog.
Natürlich mögen die Atlantis-Gedichte und der Untergang von Atlantis eine Chiffre, also eine logisch nicht herstellbare Bezugnahme gewesen sein zum Dritten Reich, das Loerke nicht mit Namen nennen durfte und mit dessen Realität sich der innere Emigrant doch sehr schwer tat, blieb er doch während der Naziherrschaft in Deutschland und leistete 1933 dem jüdischen Verlag S. Fischers zuliebe eine Unterschrift unter das „Treuegelöbnis“ der 88 Schriftsteller; doch war er innerlich ein Emigrant, und weil er in Deutschland blieb, eben ein innerer Emigrant.
Dennoch steht auch trotz des politischen Bezuges – natürlich wollte er das Dritte Reich ebenfalls untergehen sehen – bei ihm Atlantis für eine einstmals vorhandene Realität und von den Hopi-Indianern wissen wir, wenn wir ihrer Überlieferung glauben schenken, dass Menschen je nach ihrem seelischen Reifegrad mit Atlantis untergingen oder überlebten und auf unterschiedliche Weise den versinkenden Kontinent verließen.
. Bemalte Vasen von Atlantis
Doch geschieht – und saust die Chronosfaust schon groß –
Bis zuletzt das süße Wesenlos
D e r F u n d
Die Luken waren spinnwebfahl,
Doch schattete Weinlaub in den Speicher.
Wer ihn bei Nacht und Regen bestahl,
Der wurde mit prallem Sack nicht reicher.
Kein Mauszahn mochte sich bemühn
Um Krinoline, Stock und Hauben,
Gehöhlte Bretter, seifig grün,
Verbognes Fassband, spacke Dauben.
Im Winkel hielt ein Urkundenpack
Lang vor, dem Wurm das Maul zu stopfen;
Zurück blieb roter Siegellack
Wie Blut in dick verklumpten Tropfen.
Gerümpel in schwindliger Litanei
Raunte durchs Labyrinth der Gänge.
Ein Kompass nur wusste, wo Norden sei,
Ins Lot wies ein Cardangehänge.
Mein Körper schwebte durch Süße, durch Weh,
Sein Herzschlag fand nicht von der Stelle –
Ich suchte, schwank in rollender See,
Für weite Fahrten Schiffsmodelle.
Ganz in der Ferne, wie mir schien,
Aus zackig betuschtem Götzenrachen
Zwischen Stummeln dampfte Lichtrubin
Auf einem schwarzen Wikingdrachen.
Im Finster davor schlug mir Fuß und Kopf
An splittrig wackelnde Regale.
Und nieder platzten Topf bei Topf
Wie Herbstkastanien aus der Schale.
Ich fiel und ertrank in taifunischem Wind.
Dann war mir, indem ich ein Glattes umarmte,
Das heil war und so hoch wie ein Kind,
Als ob ich mich eines Kindes erbarmte.
Da sprach es, kaum in meiner Hand:
„Wir sind aus Atlantis und mussten sterben.“
Dann schrie es, während es jäh sich entwand:
„Taste dich rückwärts, wir sind Scherben.“
Ich kroch und kroch, bis Morgen war,
Und mit mir der Spuk im Bodenverstecke.
Die Sonne ging auf in ihm: eine Schar
Bemalter Vasen stand in der Ecke.
Anmerkung:
die Krinoline, Bezeichnung für den um die Mitte des 19. Jh.s getragenen Reifrock
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Friedrich Schillers Ballade Der Taucher ist eines der faszinierendsten und tiefgründigsten dichterischen Werke, unter denen, die ich kenne. Es geht vor allem um vier Aspekte – hier aber zunächst die Ballade:
„Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp,
Zu tauchen in diesen Schlund?
Einen goldnen Becher werf ich hinab,
Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund.
Wer mir den Becher kann wieder zeigen,
Er mag ihn behalten, er ist sein eigen.“
Der König spricht es und wirft von der Höh
Der Klippe, die schroff und steil
Hinaushängt in die unendliche See,
Den Becher in der Charybde Geheul.
„Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,
Zu tauchen in diese Tiefe nieder?“
Und die Ritter, die Knappen um ihn her
Vernehmen’s und schweigen still,
Sehen hinab in das wilde Meer,
Und keiner den Becher gewinnen will.
Und der König zum dritten Mal wieder fraget:
„Ist keiner, der sich hinunter waget?“
Doch alles noch stumm bleibt wie zuvor,
Und ein Edelknecht, sanft und keck,
Tritt aus der Knappen zagendem Chor,
Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg,
Und alle die Männer umher und Frauen
Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen.
Und wie er tritt an des Felsen Hang
Und blickt in den Schlund hinab,
Die Wasser, die sie hinunterschlang,
Die Charybde jetzt brüllend wiedergab,
Und wie mit des fernen Donners Getose
Entstürzen sie schäumend dem finstern Schoße.
Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,
Und Flut auf Flut sich ohn Ende drängt,
Und will sich nimmer erschöpfen und leeren,
Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.
Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt,
Und schwarz aus dem weißen Schaum
Klafft hinunter ein gähnender Spalt,
Grundlos, als ging’s in den Höllenraum,
Und reißend sieht man die brandenden Wogen
Hinab in den strudelnden Trichter gezogen.
Jetzt schnell, eh die Brandung wiederkehrt,
Der Jüngling sich Gott befiehlt,
Und – ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört,
Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült,
Und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer
Schließt sich der Rachen, er zeigt sich nimmer.
Und stille wird’s über dem Wasserschlund,
In der Tiefe nur brauset es hohl,
Und bebend hört man von Mund zu Mund:
„Hochherziger Jüngling, fahre wohl!“
Und hohler und hohler hört man’s heulen,
Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen.
Und wärfst du die Krone selber hinein
Und sprächst: Wer mir bringet die Kron,
Er soll sie tragen und König sein –
Mich gelüstete nicht nach dem teuren Lohn.
Was die heulende Tiefe da unter verhehle,
Das erzählt keine lebende glückliche Seele.
Wohl manches Fahrzeug, vom Strudel gefasst,
Schoss jäh in die Tiefe hinab,
Doch zerschmettert nur rangen sich Kiel und Mast,
Hervor aus dem alles verschlingenden Grab.-
Und heller und heller, wie Sturmes Sausen,
Hört man’s näher und immer näher brausen.
Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,
Und Well auf Well sich ohn Ende drängt,
Und wie mit des fernen Donners Getose
Entstürzt es brüllend dem finstern Schoße.
Und sieh! aus dem finster flutenden Schoß,
Da hebet sich’s schwanenweiß,
Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß,
Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß,
Und er ist’s, und hoch in seiner Linken
Schwingt er den Becher mit freudigem Winken.
Und atmete lang und atmete tief
Und begrüßte das himmlische Licht.
Mit Frohlocken es einer dem andern rief:
„Er lebt! Er ist da! Es behielt ihn nicht!
Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle
Hat der Brave gerettet die lebende Seele.“
Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schar,
Zu des Königs Füßen er sinkt,
Den Becher reicht er ihm kniend dar,
Und der König der lieblichen Tochter winkt,
Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande,
Und der Jüngling sich also zum König wandte:
„Lange lebe der König! Es freue sich,
Wer da atmet im rosigten Licht!
Da unten aber ist’s fürchterlich,
Und der Mensch versuche die Götter nicht
Und begehre nimmer und nimmer zu schauen,
Was sie gnädig bedeckten mit Nacht und Grauen.
Es riss mich hinunter blitzesschnell –
Da stürzt mir aus felsigtem Schacht
Wildflutend entgegen ein reißender Quell:
Mich packte des Doppelstroms wütende macht,
Und wie einen Kreisel mit schwindelndem Drehen
Trieb mich’s um, ich konnte nicht widerstehen.
Da zeigte mir Gott, zu dem ich rief
In der höchsten schrecklichen Not,
Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff,
Das erfasst ich behend und entrann dem Tod –
Und da hing auch der Becher an spitzen Korallen,
Sonst wär er ins Bodenlose gefallen.
Denn unter mir lag’s noch, bergetief,
In purpurner Finsternis da,
Und ob’s hier dem Ohre gleich ewig schlief,
Das Auge mit Schaudern hinuntersah,
Wie’s von Salamandern und Molchen und Drachen
Sich regt‘ in dem furchtbaren Höllenrachen.
Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch,
Zu scheußlichen Klumpen geballt,
Der stachligte Roche, der Klippenfisch,
Des Hammers gräuliche Ungestalt,
Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne
Der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne.
Und da hing ich und war’s mit Grausen bewusst
Von der menschlichen Hilfe so weit,
Unter Larven die einzige fühlende Brust,
Allein in der grässlichen Einsamkeit,
Tief unter dem Schall der menschlichen Rede
Bei den Ungeheuern der traurigen Öde.
Und schaudernd dacht ich’s, da kroch’s heran,
Regte hundert Gelenke zugleich,
Will schnappen nach mir – in des Schreckens Wahn
Lass ich los der Koralle umklammerten Zweig;
Gleich fasst mich der Strudel mit rasendem Toben,
Doch es war mir zum Heil, er riss mich nach oben.“
Der König darob sich verwundert schier
Und spricht: „Der Becher ist dein,
Und diesen Ring noch bestimm ich dir,
Geschmückt mit dem köstlichsten Edelgestein,
Versucht du’s noch einmal und bringst mir Kunde,
Was du sahst auf des Meeres tiefunterstem Grunde.“
Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl,
Und mit schmeichelndem Munde sie fleht:
„Lasst, Vater, genug sein das grausame Spiel!
Er hat Euch bestanden, was keiner besteht,
Und könnt Ihr des Herzens Gelüsten nicht zähmen,
So mögen die Ritter den Knappen beschämen.“
Drauf der König greift nach dem Becher schnell,
In den Strudel ihn schleudert hinein:
„Und schaffst du den Becher mir wieder zur Stell,
So sollst du der trefflichste Ritter mir sein
Und sollst sie als Ehegemahl heut noch umarmen,
Die jetzt für dich bittet mit zartem Erbarmen.“
Da ergreift’s ihm die Seele mit Himmelsgewalt,
Und es blitzt aus den Augen ihm kühn,
Und er siehet erröten die schöne Gestalt
Und sieht sie erbleichen und sinken hin –
Da treibt’s ihn, den köstlichen Preis zu erwerben,
Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben.
Wohl hört man die Brandung, wohl kehrt sie zurück,
Sie verkündigt der donnernde Schall –
Da bückt sich’s hinunter mit liebendem Blick:
Es kommen, es kommen die Wasser all,
Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder,
Den Jüngling bringt keines wieder.
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Die vier angesprochenen Aspekte sind:
- Die Tiefen des Wassers mit seinen Schrecknissen entsprechen auch den Tiefen unserer Seele (vgl. Goethes Des Menschen Seele gleicht dem Wasser – mehr dazu vor 14 Tagen im Zusammenhang mit der Wassersymbolik in den Volksliedern)
- Zu dieser Wahrheit gehört auch, dass neben all dem Schrecklichen – oft gleich nebenan – die Wahrheit bzw. das Gesuchte zu finden ist. Ja, das eine bedingt immer wieder das andere, das eine gibt es nicht ohne das andere. Es ist kein Zufall, dass der Edelknecht in höchster Not den Becher findet!
- Neben der Fähigkeit zur Intuition und zu jener, Gefühle wahrzunehmen, gehört auch, klar denken zu können. Hätte der Edelknecht klar gedacht, hätte er die gewaltige dunkle Seite des Königs nie übersehen können, zumal sich jener erlaubte, den Becher, den der Edelknecht sich wahrlich durch seinen Tauchgang verdient hatte und der ihm ja auch vom König versprochen worden war, erneut in den Schlund zu werfen, obwohl er ihm nicht mehr gehörte! – Wie verfügt zudem der König einfach über seine Tochter!
- Überlebenswichtig für die Menschheit ist, dass sie den Mut besitzt, die dunklen Könige zu entlarven! Ihre Kraft wird gebrochen, wenn ihre Dunkelheit belichtet wird.
Ausführlicher habe ich diese Punkte in einem Methusalem-Post angesprochen. Dort finden sich auch die am Dienstagabend erwähnten Bilder von Hieronymus Bosch, die so wirkungsvoll die Untiefen der Seele spiegeln.
Goethe hat – vor allem auf dem Hintergrund der unterschiedlichen Schlussgestaltungen – Schillers Ballade Der Handschuh, die jener unmittelbar nach dem Taucher schrieb und ihn dem Dichterfreund als Nachstück ankündigte, nach der Lektüre als Nach– und Gegenstück bezeichnet – gewiss zu Recht:
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Der Handschuh
Vor seinem Löwengarten,
Das Kampfspiel zu erwarten,
Saß König Franz,
Und um ihn die Großen der Krone,
Und rings auf hohem Balkone
Die Damen in schönem Kranz.
Und wie er winkt mit dem Finger,
Auf tut sich der weite Zwinger,
Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt,
Und sieht sich stumm
Rings um,
Mit langem Gähnen,
Und schüttelt die Mähnen,
Und streckt die Glieder,
Und legt sich nieder.
Und der König winkt wieder,
Da öffnet sich behänd
Ein zweites Tor,
Daraus rennt
Mit wildem Sprunge
Ein Tiger hervor,
Wie der den Löwen erschaut,
Brüllt er laut,
Schlägt mit dem Schweif
Einen furchtbaren Reif,
Und recket die Zunge,
Und im Kreise scheu
Umgeht er den Leu
Grimmig schnurrend;
Drauf streckt er sich murrend
Zur Seite nieder.
Und der König winkt wieder,
Da speit das doppelt geöffnete Haus
Zwei Leoparden auf einmal aus,
Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
Auf das Tigertier,
Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,
Und der Leu mit Gebrüll
Richtet sich auf, da wird’s still,
Und herum im Kreis,
Von Mordsucht heiß,
Lagern die gräulichen Katzen.
Da fällt von des Altans Rand
Ein Handschuh von schöner Hand
Zwischen den Tiger und den Leun
Mitten hinein.
Und zu Ritter Delorges spottenderweis
Wendet sich Fräulein Kunigund:
»Herr Ritter, ist Eure Lieb so heiß,
Wie Ihr mir’s schwört zu jeder Stund,
Ei, so hebt mir den Handschuh auf.«
Und der Ritter in schnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger
Mit festem Schritte,
Und aus der Ungeheuer Mitte
Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.
Und mit Erstaunen und mit Grauen
Sehen’s die Ritter und Edelfrauen,
Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
Aber mit zärtlichem Liebesblick –
Er verheißt ihm sein nahes Glück –
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
»Den Dank, Dame, begehr ich nicht«,
Und verläßt sie zur selben Stunde.
– – – – –
Wir haben uns sodann Conrad Ferdinans Ballade Die Füße im Feuer zugewandt, ein, wie ich finde, künstlerisch auf höchstem Niveau gearbeitetes Werk mit einem bemerkenswerten Schluss. Vorab sei hier auch sein Werk Stapfen abgedruckt, ein Gedicht voll zarter Liebe, das zu meinen Lieblingsgedichten gehört und das ich zitiert habe, um die besondere Qualität des Schweizer Autors zu verdeutlichen, der so einfühlsam schreiben kann, mit leisen Tönen, nur in Andeutungen – und doch so eindrücklich (vielleicht gerade deshalb heute so wertvoll, weil in unseren Tagen so vieles so laut meint daherkommen zu müssen):
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…. Stapfen
In jungen Jahren war’s. Ich brachte dich
Zurück ins Nachbarhaus, wo du zu Gast,
Durch das Gehölz. Der Nebel rieselte,
Du zogst des Reisekleids Kapuze vor
Und blicktest traulich mit verhüllter Stirn.
Nass ward der Pfad. Die Sohlen prägten sich
Dem feuchten Waldesboden deutlich ein,
Die wandernden. Du schrittest auf dem Bord,
Von deiner Reise sprechend. Eine noch,
Die längre, folge drauf, so sagtest du.
Dann scherzten wir, der nahen Trennung klug
Das Angesicht verhüllend, und du schiedst,
Dort wo der First sich über Ulmen hebt.
Ich ging denselben Pfad gemach zurück,
Leis schwelgend noch in deiner Lieblichkeit,
In deiner wilden Scheu, und wohlgemut
Vertrauend auf ein baldig Wiedersehn.
Vergnüglich schlendernd, sah ich auf dem Rain
Den Umriss deiner Sohlen deutlich noch
Dem feuchten Waldesboden eingeprägt,
Die kleinste Spur von dir, die flüchtigste,
Und doch dein Wesen: wandernd, reisehaft,
Schlank, rein, walddunkel, aber o wie süß!
Die Stapfen schritten jetzt entgegen dem
Zurück dieselbe Strecke Wandernden:
Aus deinen Stapfen hobst du dich empor
Vor meinem innern Auge. Deinen Wuchs
Erblickt ich mit des Busens zartem Bug.
Vorüber gingst du, eine Traumgestalt.
Die Stapfen wurden jetzt undeutlicher,
Vom Regen halb gelöscht, der stärker fiel.
Da überschlich mich eine Traurigkeit:
Fast unter meinem Blick verwischten sich
Die Spuren deines letzten Gangs mit mir.
Einige Gedanken und Anmerkungen zu der Ballade: hier
Nun also die Ballade Die Füße im Feuer, deren historischen Hintergrund ich hier dargestellt habe; der Umgang derer von Guise sowie der Katholiken insgesamt mit den Hugenotten, vor allem aber das Massaker in der Bartholomäusnacht vom 23. auf 24. August 1572, der später so genannten Pariser Bluthochzeit, in der Tausende von frranzösischen Protestanten hingemetzelt wurden, gehört mit zum Traurigsten der europäischen Geschichte. Die Hugenottenverfolgungen bilden den historischen Hintergrund zur Ballade, die im Übrigen auch, wie schon Stapfen, ausgesprochen feinsinnig in Andeutungen zeichnend beginnt, wobei man u.a. beachten mag, mit welch knappen, aber gekonnten Mitteln allein die Anfangssituation gestaltet ist, beispielsweise in Bezug auf die Licht-Dunkel-Symbolik, die schon vorverweist auf die gesamte Ballade: der Reiter kommt aus dem Dunkeln und bringt es mit sich – im Schloss ist Licht (auch wenn so große Trauer herrscht):
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Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm.
Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Ross,
Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust
Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest.
Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell
Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann …
– „Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt
Nach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!“
– „Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmert’s mich?
Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!“
Der Reiter tritt in einen dunkeln Ahnensaal,
Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt,
Und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht
Droht hier ein Hugenott im Harnisch, dort ein Weib,
Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild …
Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd
Und starrt in den lebendgen Brand. Er brütet, gafft …
Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal …
Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.
Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin
Mit Linnen blendend weiß. Das Edelmägdlein hilft.
Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick
Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt …
Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.
– „Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!
Drei Jahre sind’s … Auf einer Hugenottenjagd
Ein fein, halsstarrig Weib … ‚Wo steckt der Junker? Sprich!‘
Sie schweigt. ‚Bekenn!‘ Sie schweigt. ‚Gib ihn heraus!‘ Sie schweigt.
Ich werde wild. D e r Stolz! Ich zerre das Geschöpf …
Die nackten Füße pack ich ihr und strecke sie
Tief mitten in die Glut … ‚Gib ihn heraus!‘ … Sie schweigt …
Sie windet sich … Sahst du das Wappen nicht am Tor?
Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?
Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.“
Eintritt der Edelmann. „Du träumst! Zu Tische, Gast …“
Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht
Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.
Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an –
Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk,
Springt auf: „Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!
Müd bin ich wie ein Hund!“ Ein Diener leuchtet ihm,
Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück
Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr …
Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach.
Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert.
Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.
Die Treppe kracht … Dröhnt hier ein Tritt? … Schleicht dort ein Schritt? …
Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht.
Auf seinen Lidern lastet Blei, und schlummernd sinkt
Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut.
Er träumt. „Gesteh!“ Sie schweigt. „Gib ihn heraus!“ Sie schweigt.
Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut.
Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt …
– „Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!“
Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt,
Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr – ergraut,
Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.
Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.
Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad.
Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.
Friedsel’ge Wolken schwimmen durch die klare Luft,
Als kehrten Engel heim von einer nächt’gen Wacht.
Die dunkeln Schollen atmen kräft’gen Erdgeruch.
Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.
Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: „Herr,
Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit
Und wisst, dass ich dem größten König eigen bin.
Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!“ Der andre spricht:
„Du sagst’s! Dem größten König eigen! Heute ward
Sein Dienst mir schwer … Gemordet hast du teuflisch mir
Mein Weib! Und lebst! …. Mein ist die Rache, redet Gott.“
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Ich habe sie hier interpretiert, die historischen Informationen zur Ballade finden sich – wie bereits erwähnt – hier.
Zu dem Kinderkreuzzug von Bertolt Brecht, einer Ballade, die ich hier nicht abdrucken kann, da mir wiederholt zu Ohren gekommen ist, dass Brechts Erben bzw. der Verlag, in dem er verlegt wird, mit Argusaugen über entsprechende Rechte wachen (was sich kaum mehr lohnt, ist er doch nach dem Mauerfall in der Versenkung der Geschichte verschwunden – kein Zufall), sind wir nicht mehr gekommen. Sie hat durchaus einen spirituellen Hintergrund, auch, weil ihre deutschen und französischen sehr jugendlichen Führer ein christliches Sendungsbewusstsein hatten, das man allerdings durchaus hinterfragen mag. – Ich lasse aber meine Ausführungen zum Kinderkreuzug, die ich vorab schon hier hereingestellt hatte, dennoch online.
Ich persönlich mag Brecht nicht sonderlich wegen seines Verhaltens gegenüber Frauen, weil mir nicht wenige seiner Stücke zu zeigefingerhaft sind, er mir zu arrogant ist (vgl. sein von ihm entworfener Grabspruch Ich benötige keinen Grabstein …) und weil mir seine gesellschaftspolitische Sichtweise, die in der Dreigroschenoper in dem Satz gipfelt: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral, zu platt ist – sie findet sich auch im Guten Menschen von Sezuan angedeutet.
Gleichzeitig halte ich ihn für einen Magier des Wortes und seine Theaterstücke über Galileo Galilei und die Prostituierte Shen Te (Der gute Mensch von Sezuan) sind m. E. voll guter Ideen, einfach auch gut geschrieben. Gleiches gilt für das ein oder andere Gedicht, unter anderem eben den Kinderkreuzzug, Die Liebenden (Seht jene Kraniche in großem Bogen) oder auch die Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration.
Ich habe im Netz überaschenderweise noch eine Veröffentlichung des Kinderkreuzzuges gefunden: hier.
Informationen zu den historischen Kinderkreuzzügen von 1212: hier
Viele Grüße und vielleicht bis zum nächsten Abend am 4. Dezember zum Thema
„Bis Gott aus unsern Opfern Segen wirkt”
Christliche Spiritualität in Gedichten.
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Balladeninterpretationen:
- „Höre Mutter meine letzte Bitte: / Einen Scheiterhaufen schichte du / …“ – Goethes „Braut von Korinth“ – ein Menetekel gegen bigotte Moral und falsche Mütterlichkeit.
- Über wahre Liebe, gegen allen Gender-Trend und ein göttlicher One-Night-Stand: Goethes Ballade „Der Gott und die Bajadere“. Hinreißend.
- Halb zog sie ihn, halb sank er hin! – Wer alles lauscht dem feuchten Weib? – Goethes Ballade „Der Fischer“
- Heimat, Gnade und Vergebung sind EINS: Theodor Fontanes „Archibald Douglas“.
- Lehrstunde in Bescheidenheit, Demut und Dankbarkeit. – Goethes weitgehend unbekannte Ballade „Der Sänger“.
- Als ob die Gottheit nahe wär´ – Friedrich Schillers „Die Kraniche des Ibykus
- Von der Gnade des Verzeihens, des Vergeben-Könnens. Conrad Ferdinand Meyers „Die Füße im Feuer“.
hier noch Gedanken zu dem Atlantis-Gedicht von Loerke und C.F. Meyers Stapfen
- Oskar Loerkes Fund: Bemalte Vasen aus Atlantis.
- Welch zärtlich melancholischer Ton voller Liebe in C.F. Meyers Gedicht „Stapfen“
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